Tirggel: Bernhard Hegglin Tirggel: Bernhard Hegglin

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Die Einsamkeit der Dinge. Begleittext von Senthuran Varatharajah.
Der Raum ist leer. Das ist seine Haupteigenschaft. Und in dieser Leere, die vermessen wurde, versammeln sich
die Gegenstände, die wir zählen können, bevor ihnen ein Name gegeben worden war, nach ihrem Gesetz. Wir
sehen dasselbe Fenster: fünfmal; zu einer anderen Stunde, und gebrochen von der Zurückhaltung des Lichts; vom
Winkel eines unterschiedlichen Tages, der einfällt, immer durch Glas. Fünf leere Seiten eines Notizheftes: auf vier
Bildern; verteilt auf dieser Scheibe, wie die Finger einer Hand, im Gastatelier des Sittewerks in Sankt Gallen. Dahinter:
ein Wald; im Spätsommer. Und so, wie das Papier, befestigt mit einem Streifen Tesa, um den Einsturz von
Vögeln zu verhindern, Teile des Waldes, der bereits durch das Fenster geteilt worden ist, fünfmal verdecken, um
den Wald in die Leere dieses Raumes zu holen, so zeigen die Fotografien von Stefan Burger immer beides, beides
zur gleichen Zeit: die Entsammlung, und die Versammlung. Die Entsammlung als Versammlung; diese Versammlung
durch Entsammlung. Der Raum aber bleibt leer. Das wird seine Haupteigenschaft gewesen sein. Damit die
Vögel in ihn einbrechen.
Beides ist wahr: alles ist hier. Man könnte also sagen, dass auch nichts hier ist. Und so zeigen sich die Gegenstände,
die gezählt wurden, nachdem ihnen ein falscher Name gegeben worden war, noch einmal: wie zum ersten
und zum letzten Mal. Wir sehen einen anderen Wald: Sträucher. Äste. Die niedrigen Zweige, die einen Teil dieses
Gehäuses verbergen, als wären sie nur Arme, dünne Arme ohne Hunger. Das gewölbte Licht einer anderen Sonne:
auf den Rillen, oben, auf denen die Schatten der schwarzen Blätter liegen, langsam wie auf einem Grab aus
Metall. Auch hier stellen sich die Dinge so dar, wie sie uns erscheinen: immer in ihrem Verschwinden begriffen;
immer in ihrer Einsamkeit eingeschlossen, wie in einem Gebet. In der westlichen Philosophie wird das Nichts als
Subtraktion verstanden: als Gegenteil der Fülle. Die Dinge, die sich in einem Raum befinden, müssen in unserer
Vorstellung von diesem Raum abgezogen werden, und auch dieser Raum selbst, den es nur in der Zeit gibt, muss
verschwinden. In der Astronomie und in der Theologie aber ist das Nichts nicht das Gegenteil der Fülle, sondern
die Fülle selbst: die absolute Möglichkeit, aus der Wirklichkeit geworden sein wird. Nur aus dieser unvorstellbaren
Nacht, die sich berechnen lässt, und an die wir glauben müssen, vor jedem Raum, und vor unserer Zeit, nur
aus dem langen Schweigen Gottes vor dem ersten Wort konnte die ganze Materialität, das System dieser Dinge
entstehen, die es gab, die es gibt, und die es einmal gegeben haben wird. Leere ist nur eine andere Fülle. Und
nur, weil der Raum leer ist, können die Gegenstände in ihm versammelt werden; um in ihm noch einmal zu verschwinden.
Der Wald wird in die Leere dieses Raumes geholt. Die  Äste verbergen das Metall. Auf einem anderen
Bild: sehen wir das, was von zwei Pflanzen übriggeblieben ist. Die Richtung der Zweige. Spinnweben in diesem
deutlichen Licht. Auf dem Blumentopf aus Plastik: drei Gross buchstaben. Ein Satz; um zu verschwinden. I AM.
Stefan Burgers Fotografien können als Darstellung dieses Augenblickes verstanden werden. Wie die Dinge sich
uns zeigen: immer zum ersten, immer zum letzten Mal. Alles ist hier. Man könnte sagen, dass auch nichts hier ist.
Hier: versammelt sich die Einsamkeit der Dinge. Hier: versammelt sich das Entsammelte. Hier, vor diesen Bildern:
versammeln wir uns.
The Loneliness of Things. Accompanying text by Senthuran Varatharajah.
The space is empty. That is its main characteristic. And in this emptiness, which has been measured, gather together
the objects, which we can count before they had been given a name, according to their law. We
see the same window: five times; at a different hour, and refracted by the restraint of light; by the
Angle of a different day that falls, always through glass. Five empty pages of a notebook: on four
Pictures; distributed on this pane, like the fingers of a hand, in the guest studio of the Sittewerk in Sankt Gallen. Behind:
A forest; in late summer. And so, as the paper, fastened with a strip of tape to prevent the
birds to collide, cover parts of the forest, which has already been divided by the window, five times, in order to
the forest into the emptiness of this space, Stefan Burger's photographs always show both, both
at the same time: the disassembly, and the assembly. The decollection as a gathering; this gathering
through decollection. The space, however, remains empty. That will have been its main characteristic. So that the
Birds break into it.
Both is true: everything is here. So one could say that also nothing is here. And so the objects show themselves,
which were counted, after a false name had been given to them, show up once again: as for the first
and for the last time. We see another forest: bushes. Branches. The low branches that hide part of this
Enclosure hide, as if they were only arms, thin arms without hunger. The curved light of another sun:
On the grooves, above, on which lie the shadows of the black leaves, slow as on a grave of
metal. Here, too, things present themselves as they appear to us: always in their disappearance;
always enclosed in their solitude, as in a prayer. In Western philosophy, nothingness is understood as
subtraction: as the opposite of fullness. The things that are in a space have to be subtracted from that space in our
must be subtracted from this space, and also this space itself, which exists only in time, must disappear.
disappear. In astronomy and in theology, however, nothingness is not the opposite of fullness, but rather
the fullness itself: the absolute possibility, from which reality will have become. Only from this unimaginable
night, which can be calculated, and in which we must believe, before any space, and before our time, only
from the long silence of God before the first word could the whole materiality, the system of these things
that existed, that exist, and that will have existed once. Emptiness is only another fullness. And
only because the space is empty, the objects can be gathered in it; to disappear in it once more.
The forest is brought into the emptiness of this space. The branches hide the metal. In another
Image: we see what is left of two plants. The direction of the branches. Cobwebs in this
clear light. On the plastic flowerpot: three capital letters. A sentence; to disappear. I AM.
Stefan Burger's photographs can be understood as a representation of this moment. How things present themselves to us: always for the first, always for the last time. Everything is here. One could say that nothing is here either.
Here: the solitude of things gathers. Here: gathers the disunited. Here, in front of these images:
we gather.

DEAKZESSION

‚ehemalige Eintracht‘, Appenzell
12.Dezember 2021 – 13.Januar 2022
DEAKZESSION

‚ehemalige Eintracht‘, Appenzell
12.Dezember 2021 – 13.Januar 2022